Was ist der Nutzen von internen Richtlinien?
Warum entscheiden sich Organisationen interne Richtlinien zu verfassen, die dann noch kommuniziert, regelmäßig evaluiert und gegebenenfalls überarbeitet werden müssen?
Das hat mehrere gute Gründe. Eine Antwort sollte lauten: „Wir wollen es den Beschäftigten so einfach wie möglich machen, sich richtig zu verhalten.“ Dazu können interne Richtlinien tatsächlich einen wesentlichen Beitrag leisten. Beispielsweise sind rechtliche Vorgaben vielfach für Laien schwer verständlich oder selbst für Experten unklar. Wie oft haben wir etwa im Zuge der Umsetzung der EU-DSGVO vom Gesetzgeber auf konkrete Fragen die Antwort bekommen: „Das müssen die Gerichte klären.“
Das ist freilich keine zufriedenstellende Antwort, aber die Organisationen mussten und müssen einen Weg finden, damit umzugehen. So einfach wie es sich der Gesetzgeber manchmal macht, so einfach ist das für die Normunterworfenen nicht. Die betroffenen Organisationen müssen Entscheidungen treffen und den Beschäftigten klare Antworten geben, wie sie ihre Aufgaben erledigen sollen.
Ein anderes Beispiel sind die Regeln zu Verhinderung von Korruption. Welche Einladungen und Geschenke sind zulässig? Wie gehen wir mit Sponsoring und Spenden um? Der Verweis auf die Rechtslage hilft den Beschäftigten nicht weiter. Ähnliches gilt für das Wettbewerbs-/ Kartellrecht.
Organisationen sind daher gut beraten, durch wohl überlegte interne Richtlinien einfache und klare Regeln festzulegen und zu kommunizieren, um einheitliches Verhalten, Sicherheit für die Beschäftigten sowie die Organisation und schließlich Effizienz zu erreichen. Denn es ist äußerst ineffizient, wenn häufig dieselben Fragen gestellt und die passenden Antworten (zusammen)gesucht werden müssen.
Ein weiterer Aspekt, der für verbindliche interne Richtlinien spricht, ist die Möglichkeit die Reputation der Organisation zu pflegen. In Summe konstituieren und prägen die Organisationsvorgaben den sogenannten Corporate Conduct. Aus der Summe aller Handlungen entsteht das außerhalb der Organisation wahrnehmbare Corporate Behaviour, das Teil der Corporate Identity ist. Ein wertvolles Gut.
Für welche Themen sollte es interne Richtlinie geben?
Einem risikoorientierten Ansatz folgend, empfiehlt es sich mit jenen Risiken zu beginnen, die den größten Schadenserwartungswert aufweisen. Wer häufig mit Amtsträgern verhandelt und in einer Branche tätig ist die mit Zuwendungen grundsätzlich großzügig ist, sollte seinen Beschäftigten diesbezüglich klare Regeln zur Verfügung stellen. Wer gegenüber seinen wichtigsten Kunden die Einhaltung von Umweltschutzstandards zugesichert hat, ist gut beraten die Einhaltung dieser Vorschriften sicherzustellen. Welche Themen mit welcher Priorität behandelt werden müssen sollte im Rahmen eines Compliance Risk Assessments ermittelt werden.
Empfehlungen für die Erstellung von Richtlinien
Wenn Sie sich mit der Erstellung von internen Richtlinien für Ihre Organisation befassen, darf ich davon ausgehen, dass Sie bereits einen Verhaltenskodex haben oder zumindest gerade daran arbeiten. Dazu darf ich auf den hervorragenden Artikel „Schritt für Schritt zum „perfekten“ Verhaltenskodex“ von Jacqueline Mlinarcsik in Compliance Praxis 2019, 20 (Heft 3) verweisen.
- Anders als im Verhaltenskodex sollten in einer Richtlinie nicht unterschiedlichste Themenfelder angesprochen werden. Vielmehr sollten in separaten Richtlinien konkrete Antworten auf Fragen zu einzelnen Risikofeldern zu finden sein.
- Richtlinien müssen sich an den Werten der Organisation und am Verhaltenskodex orientieren.
- Alle Richtlinien sollten dem gleichen Aufbau folgen.
- Eingangs sollten der Geltungsbereich, der Regelungsgegenstand und die Zielsetzung der Richtlinie kurz beschrieben sein.
- Für Länge und Inhalte gilt: So viel wie nötig, so wenig wie möglich. Umfassende Dokumente mögen zwar auf den ersten Blick Staunen verursachen, sind aber selten zielführend.
- Nehmen Sie sich Zeit, die Inhalte gut zu strukturieren.
- Verwenden Sie einfache und klare Sprache, damit die Beschäftigten rasch wissen, wie sie sich verhalten sollen. An Rechtstexten angelehnte „Cover-my-Ass“-Passagen sollten vermieden werden, weil sie den Beschäftigten nicht nützen und im worst case die Glaubwürdigkeit der Compliance-Bemühungen in Zweifel ziehen. Auch Verweise auf Gesetzestexte sollten in der Regel vermieden werden. Die Richtlinie dient ja dazu, die relevanten Inhalte aus den Rechtsvorschriften in den Kontext der eigenen Organisation zu übersetzen.
- Formulieren Sie so oft als möglich positiv und lösungsorientiert. So, dass den Beschäftigten aufgezeigt wird unter welchen Voraussetzungen konkrete Handlungen möglich sind. Ein echter Mehrwert gegenüber Rechtstexten.
- Für die eigene Organisation passende Beispiele können genutzt werden, um die Regelungen zu illustrieren und die Relevanz aufzuzeigen. Wenn Ihnen kein passendes Beispiel einfällt, sollten Sie den Inhalt der Regel nochmal überdenken.
- Anders als im Verhaltenskodex, sollten Sie in Richtlinien mit Bildern zurückhaltend sein. Verwenden Sie Bilder, wenn Sie zum Verständnis beitragen oder dabei helfen die Inhalte der Richtlinie einzuprägen. Beispielsweise ein 100,– Euro-Schein, um die Wertgrenze für Zuwendungen zu veranschaulichen.
- Am Ende der Richtlinie sollten die nötigen Begriffserklärungen angeführt sein.
- Unverzichtbar sind außerdem eine eindeutige Bezeichnung der Richtlinien, die Nennung des Herausgebers bzw. Richtlinenverantwortlichen, Stand bzw. Version, Änderungshistorie und Verweis auf Bezug habende Dokumente.
Use Cases bilden die Probe aufs Exempel
Use Cases sind Modellfragen, die Sie nutzen können, um die Qualität Ihrer Richtlinien zu testen. Verwenden Sie konkrete Fragen Ihrer Beschäftigen und prüfen Sie, ob Sie rasch zur richtigen Antwort kommen. Falls nicht, sollten Sie nochmal gemeinsam mit den Beschäftigten am Inhalt der Richtline arbeiten.
Hier geht es zu 7 Tipps für die Erstellung verständlicher und überzeugender Richtlinien von EQS.
Hier ein Beispiel eines Use Cases im inecos Compliance Guide, abgeleitet aus der Richtlinie zur Vermeidung von Korruption und Lösung von Interessenkonflikten: