Whistleblowing – Fehlverhalten erkennen und vorhandenes Wissen nutzen – Teil 2: Die EU-Hinweisgeberschutz-Richtlinie

Organisationen, die bisher die Vorteile von angemessenen Hinweissystemen nicht erkannt haben, bekommen mit der EU-Whistleblower-Richtlinie weitere überzeugende Gründe geliefert.

Warum müssen Whistleblower mittels einer EU-Richtlinie geschützt werden?

Die Rolle von Whistleblowern hat in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. Welche Brisanz diesem Thema zukommt, verdeutlichen vor allem medial bekanntgewordene Whistleblowing-Fälle, denn ohne die entsprechenden Meldungen wären viele Verstöße erst gar nicht bekannt geworden. Whistleblower gehen jedoch oftmals ein hohes persönliches Risiko ein, denn nicht selten drohen aufgrund des Hinweises negative Konsequenzen.

Zitat: Hinweisgeber leisten einen wertvollen Beitrag.

Durch das Aufzeigen von Straftaten werden Whistleblower ohne gesetzlichen Schutz oftmals selbst zum Straftäter. Dies zeigen Fälle wie etwa LuxLeaks im Jahr 2014. Jene Whistleblower, die damals den Finanzskandal an die Öffentlichkeit brachten, wurden in der Folge zu Haft- und Geldstrafen verurteilt. Sonstige Repressalien für Whistleblower reichen von der Kündigung des Arbeitsplatzes über die gerichtliche Verfolgung wegen Verletzung eines Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisses bis hin zu Schadenersatzforderungen.

Gegenwärtig werden Whistleblower aber in nur zehn EU-Mitgliedsstaaten gesetzlich vollumfänglich geschützt.

Auch in Österreich werden nur bestimmte Personengruppen und Sektoren vom Schutz erfasst. Der Wunsch des Whistleblowers nach Schutz gründet vor allem in der Angst vor negativen Konsequenzen im unmittelbaren Arbeitsumfeld durch Kollegen oder den Arbeitgeber. Aufgrund dessen ließen sich potenzielle Whistleblower bis dato von der Meldungserstattung aus Furcht vor nachteiligen persönlichen und beruflichen Konsequenzen abschrecken. Ein umfassendes Verbot von Repressalien gegenüber Hinweisgebern ist daher dringend geboten.

Weiters ist für den Schutz von Whistleblowern die Zusicherung und Gewährung von Vertraulichkeit von besonderer Bedeutung. So ist auch bei Whistleblowern, die keine anonyme Meldung abgeben, sicherzustellen, dass ihre Identität geschützt wird.

Mit der Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden soll nun der gesetzliche Schutz für Whistleblower durch unionsweite Mindeststandards erhöht und vereinheitlicht werden.

Anwendungsbereich

Einerseits soll dies vor allem durch die Implementierung interner Whistleblowing-Systeme in Unternehmen und der öffentlichen Verwaltung erreicht werden. Der Verpflichtung, ein solches System samt angemessener Verfahren einzurichten, unterliegen künftig juristische Personen, welche mindestens 50 Arbeitnehmer beschäftigen. Des Weiteren ist die obligatorische Einrichtung von Meldesystemen auch für Gemeinden ab einer Einwohnerzahl von 10.000 vorgesehen.

Zitat: Hinweisgeber haben künftig die Wahl: Intern melden oder extern an die Behörde.

Andererseits ist der Melder effektiv zu schützen, weshalb unter anderem strenge Vertraulichkeit sicherzustellen ist. Repressalien, die auf eine Meldung zurückzuführen sind, wie beispielsweise eine Entlassung oder Herabstufung, sind untersagt. Beachtung ist hierbei der Beweislastumkehr zu Lasten des Arbeitgebers hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen erfolgter Meldung und Repressalie zu schenken.

Der sachliche Anwendungsbereich der Richtlinie ist auf Meldungen von Verstößen gegen ausgewählte Bereiche des Unionsrechts begrenzt. Folglich fällt beispielsweise die Meldung eines Verstoßes lediglich gegen das österreichische Kartellrecht nicht in den Anwendungsbereich der Whistleblowing-Richtlinie. Hingegen sind Meldungen über Zuwiderhandlungen gegen das europäische Kartellrecht vom Anwendungsbereich umfasst. Im Rahmen der Umsetzung der Whistleblower-Richtlinie, sind die nationalen Gesetzgeber jedoch frei, den Anwendungsbereich auszudehnen.

Schutz gemäß der Richtlinie genießen nicht nur Arbeitnehmer innerhalb eines Unternehmens, sondern alle Personen, die im weiteren Sinne mit der Organisation verbunden sind. Folglich sind auch Selbständige, Freiwillige und ehemalige Mitarbeiter vom Schutz erfasst und somit vor Repressalien jeglicher Art zu bewahren. Auch Mittlern und Dritten, wie beispielsweise Lieferanten, ist effektiver Schutz zu gewähren.

Hervorzuheben ist, dass nur der redliche Melder zu schützen ist. Demnach sind Personen, die bewusst Falschmeldungen tätigen, nicht vom Schutzbereich umfasst.

Dem Whistleblower steht es offen, seinen Hinweis intern oder extern, bei der zuständigen Behörde, zu melden. In begründeten Fällen besteht auch die Möglichkeit sich durch Offenlegung an die Öffentlichkeit zu wenden.

In jedem Fall sind juristische Personen – sowohl des öffentlichen als auch des privaten Sektors – gut beraten, Meldesysteme und Verfahren zu implementieren, damit Verstöße gemeldet werden und angemessene Folgemaßnahmen ergriffen werden können.

Die gute Nachricht: Das ist auch einfach und günstig möglich.

Kontaktieren Sie uns gerne dazu.

Martin Eckel, Michael Nuster

Dänemark hat die EU-Richtlinie als erstes Land umgesetzt. Der sachliche Anwendungsbereich wurde dabei erweitert, für Konzerne mit zentralen Systemen gibt es Sonderregeln. Den Stand der Umsetzung in den einzelnen Mitgliedstaaten können Sie hier sehen.

Whistleblowing – Fehlverhalten erkennen und vorhandenes Wissen nutzen – Teil 1

Beim Whistleblowing wird durch eine oder mehrere informierte Person(en) auf Missstände bzw. Gefahren hingewiesen. Das bietet die Chance, vorhandenes Wissen zu nutzen, um Risiken angemessen zu begegnen. Kennen Sie den Pfiff der Murmeltiere, wenn Gefahr droht? Ein oftmals passendes Bild.

Falls Ihnen das zu tierisch ist, gibt es zahlreiche Beispiele aus Politik und Wirtschaft, wo durch Whistleblowing noch größerer Schaden verhindert werden konnte. Allein im Kontext der Pleite der Commerzialbank Mattersburg wurden sowohl die manipulierten Bilanzen der Bank als auch fingierte Sponsoring-Verträge und wertvolle Geschenke durch Hinweisgeberinnen bzw. Hinweisgeber aufgedeckt. Jetzt fragen sich viele, wie die Malversationen so lange unentdeckt bleiben konnten. Zu Recht. Aber der Fall zeigt auch, dass Whistleblowing dazu dient, Aufmerksamt auf Fehlverhalten oder Risiken zu lenken, wenn andere (Kontroll-)Maßnahmen nicht funktionieren oder fehlen. Das gilt sowohl für private Unternehmen, Vereine, etc. als auch für den öffentlichen Sektor, wie Städte und Gemeinden, samt deren ausgegliederten Unternehmen, und auch für Behörden und Gerichte.

Der richtige Umgang mit potenziellen Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern und deren Hinweisen ist für den Erfolg von Organisationen von entscheidender Bedeutung. Daher widmen wir diesem Thema eine Serie, die wir mit diesem Beitrag beginnen. Dabei beschäftigen wir uns ganz allgemein mit Whistleblowing-Systemen, aber auch mit Details zum Arbeitsrecht, Datenschutz und vielem mehr … und natürlich mit der EU Whistleblowing-Richtlinie.


Lassen Sie uns mit einer grundlegenden Frage beginnen:

Wozu braucht es unternehmensinterne Whistleblowing-Systeme?

Zuallererst, weil ein richtig eingeführtes Hinweisgebersystem gut für die Integritäts-Kultur im Unternehmen ist. Wenn die Beschäftigten verstanden haben, dass im Unternehmen Integrität gelebt wird, werden sie in aller Regel froh darüber sein und entsprechend handeln. Das Hinweisgebersystem ist dabei ein wichtiger Aspekt.

Weiters wirkt ein Hinweisgebersystem künftigem Fehlverhalten entgegen, weil die Wahrscheinlichkeit steigt, dass non-Compliance aufgezeigt wird.

Und natürlich können mit Hilfe eines Hinweisgebersystems Missstände einfach aufzeigt werden. Bei einem korrekt implementierten Hinweisgebersystem können sich die Whistleblower auch darauf verlassen, dass ihre Hinweise professionell bearbeitet werden und ihr Hinweis zu angemessenen Maßnahmen führt.

Die Erfahrung zeigt: Nicht jeder Hinweis endet in der Feststellung von Fehlverhalten, aber Erkenntnisse für die Verbesserung von Kontrollen, Prozessen, Schulungen etc. finden sich in der überwiegenden Zahl der Hinweise.

Ein angemessenes Hinweisgebersystem ist daher ein wertvolles Element guter Unternehmensführung.

Obige Ausführungen gelten freilich auch für andere – öffentliche und private – Organisationen. Lediglich erwähnen dürfen wir an dieser Stelle, dass manche Organisationen bzw. Unternehmen gesetzlich zum Betrieb eines Hinweisgebersystems verpflichtet sind. Auch diese Unternehmen sollten die Chancen nutzen, die Hinweisgebersysteme bieten und sich nicht darauf beschränken, die gesetzlichen Minimalanforderungen zu erfüllen.

Unternehmen implementieren Whistleblowing-Systeme, üblicherweise als Teil ihres Compliance Management Systems. Sie haben erkannt, dass interne Meldekanäle die Möglichkeit eröffnen, Missstände frühzeitig zu erkennen und zu beseitigen und Risiken besser adressieren zu können.

Dazu kommt, dass in Deutschland und Österreich immer mehr Behörden Meldekanäle einführen, die es dem Whistleblower ermöglichen, anonym Hinweise abzugeben. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft betreibt bereits seit vielen Jahren ein internetbasiertes Meldesystem, wie auch die Bundeswettbewerbsbehörde und die Finanzmarktaufsicht. Aber auch Medienunternehmen bieten vermehrt Kanäle an, über welche vertrauliche Hinweise auf Fehlverhalten abgegeben werden können.  

Mangels unternehmensinterner Meldemöglichkeiten bleibt (potenziellen) Whistleblowern als einzige Option eine Meldung an eine Behörde oder die Öffentlichkeit. Dies kann für die betroffenen Unternehmen und die betroffenen Personen verheerende Folgen haben, nicht nur in monetärer Hinsicht, sondern auch in Bezug auf das Unternehmensimage und mögliche Strafverfahren.

Im nächsten Beitrag beschäftigen wir uns mit der EU Whistleblowing-Richtlinie und warum Whistleblower geschützt werden müssen.

Kontaktieren Sie uns gerne, wenn Sie bestimmte Aspekte beleuchtet haben möchten.

Martin Eckel und Michael Nuster